
Die stille Krise des industriellen Mittelstands
Wenn Volkswagen hustet, tagt der Krisenstab. Wenn ein Weltmarktführer aus Balingen, Aurich oder dem Emsland verschwindet, bleibt es still. Die Hidden Champions – Unternehmen mit 10 Millionen bis 5 Milliarden Euro Umsatz – stehen für technologische Exzellenz und Exportkraft, doch sie geraten zunehmend unter Druck. Demografie, Fachkräftemangel, Bürokratielast und geopolitischer Wandel setzen ihnen zu – ohne, dass die Politik hinsieht.
In der Gesprächsreihe Zukunft Personal Nachgefragt, moderiert von Wirtschaftspublizist Gunnar Sohn, wurde deutlich: Der Mittelstand steht an einer unsichtbaren Frontlinie, an der Standortrealität und politische Wahrnehmung immer weiter auseinanderdriften.
Globale Mittelständler, nationale Ignoranz
Die vielleicht brisanteste Zahl des Tages stammt von Hidden-Champions-Forscher Prof. Hermann Simon: „Seit 2010 haben die Hidden Champions im Schnitt mehr Mitarbeiter im Ausland als in Deutschland.“
Mehr als 1,1 Millionen deutsche Beschäftigte arbeiten in China, weitere 318 000 in den USA. Der Mittelstand hat längst globalisiert – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Notwehr. Energiepreise, Regulierungen, Fachkräftemangel und Planungsunsicherheit treiben den Standort ins Abseits.
Die ironische Konsequenz: Ausgerechnet die Unternehmen, die als besonders „deutsch“ gelten, schaffen die meisten ihrer Arbeitsplätze längst im Ausland.
Politik im Blindflug
Zukunft Personal Nachgefragt zeigte mit beunruhigender Klarheit, wie Personalpolitik zur Standortpolitik geworden ist. Unternehmen bilden Geflüchtete aus, verlieren sie aber durch pauschale Abschiebungsentscheidungen. Fördermittel werden zurückgegeben, weil kleine Unternehmen die Audit‑ und Antragshürden nicht mehr stemmen können.
Und während Kommunen in Oberfranken oder im Schwarzwald um Fachkräfte kämpfen, preist Berlin die Metropolen als Innovationszentren.
Gunnar Sohn bringt es auf den Punkt:
„Der Mittelstand trägt die Wirtschaft. Aber er steht nicht im politischen Fokus – weil er keine Bühne sucht, sondern arbeitet.“
Regionale Stärke statt zentraler Bevormundung
Was Simon und Schwuchow präsentieren, ist kein Krisenbericht – es ist eine Handlungsanleitung. Hidden Champions sichern ihre Zukunft durch regionale Personalstrategien:
Kooperationen mit Berufsschulen, eigene Akademien, duale Studienmodelle, internationale Austauschprogramme, Sprachförderung und frühe Auslandseinsätze.
Das ist kein Employer Branding, sondern Strukturpolitik von unten.
Deutschland braucht wieder das Vertrauen in seine lokale Stärke – statt immer neue Bundesinitiativen, die den Mittelstand nur verwalten, nicht befähigen.
Die politische Bilanz: verkannt und verschwendet
Die Experten formulieren klare Erwartungen:
- Weniger Regulierung, mehr Vertrauen.
- Geordnete Fachkräftezuwanderung statt integrationsfeindlicher Bürokratie.
- Breite Bildungspolitik statt Elite-Symbole.
- Stärkung der Kommunen in wirtschaftsschwachen Regionen.
- Respekt vor den kleineren Weltmarktführern, die Deutschlands Image in der Welt prägen.
Hidden Champions brauchen keine Almosen und keine PR-Kampagnen – sie brauchen politische Vernunft.
Die Zukunft entsteht in der Provinz – oder gar nicht
Deutschland verliert seine industrielle Kraft nicht wegen Globalisierung oder KI, sondern weil es seine handwerklich, technisch und sozial verankerten Erfolgsstrukturen selbst ignoriert.
Die Zukunft entscheidet sich nicht in den Büros der Hauptstadt – sie entscheidet sich in Coburg, im Emsland, in Taizang.
Wie es Moderator Gunnar Sohn zusammenfasst:
„Wenn Deutschland seine industrielle Basis bewahren will, muss es wieder dorthin schauen, wo Wertschöpfung wirklich entsteht – nicht dorthin, wo die Pressekonferenzen stattfinden.“
Die Veranstaltung fand live auf LinkedIn statt und wurde aufgezeichnet. Das vollständige Gespräch kann im YouTube-Kanal von Zukunft Personal angeschaut werden.
Über den Autor:
Gunnar Sohn ist Wirtschaftspublizist, Blogger, Moderator und Kolumnist. Als federführender Moderator der Reihe „Zukunft Personal Nachgefragt“ beleuchtet er Themen an der Schnittstelle von Wirtschaft, Arbeit und Politik. Mit über 20 Jahren Medienerfahrung verbindet er journalistische Schärfe mit wirtschaftspolitischem Weitblick.
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